Sachverhalt:
Der Betreiber eines Möbelhauses (AG) beauftragt den Bodenleger (AN), PVC-Design-Bodenbelag-Planken sowie Teppichboden zu verlegen. Den Boden hatte ein anderer Unternehmer vorher bereits teilweise gespachtelt. Der AN führte weitere Spachtelarbeiten aus. Außerdem schliff er den Boden maschinell an, brachte eine Haftgrundierung und ganzflächig eine Nivelliermasse zum Ausgleich auf.

Nicht lange nach Abschluss der Arbeiten bildeten sich sowohl im Teppichboden als auch im PVC-Designboden Wölbungen und Beulen. Außerdem knackte der Boden beim Begehen.

Nachdem der AN die Mängel nicht beseitigt, leitet der AG ein gerichtliches Beweisverfahren ein. Der Sachverständige stellt fest, dass sich unterhalb der Spachtelung eine Schicht Walzasphaltestrich befand. Dieser Untergrund ist für den Bodenbelag nicht geeignet. Der Belag sowie der Walzasphaltestrich müssen entfernt werden. Es müsse ein Gussasphaltestrich eingebaut werden. Anschließend könne der Boden neu verlegt werden.

Der AG verlangt vom AN Vorschuss für die Kosten der Mängelbeseitigung nach den Angaben des Sachverständigen.

Der AN ist der Auffassung, er habe den Untergrund in ausreichender Weise geprüft. Die durchgeführte Kratzprobe habe ergeben, dass die Spachtelmasse auf dem Boden fest und trocken ist. Er habe keinen Anlass gehabt, an der Eignung des Estrichs zu zweifeln. Ein Walzasphalt sei von einem Gussasphalt optisch nicht zu unterscheiden. Da Walzasphaltestrich hauptsächlich im Straßenbau eingesetzt werde, habe er nicht damit rechnen nüssen, einen solchen Estrich in einem Ladenlokal vorzufinden.

Urteil:
Das Gericht bestätigt die Auffassung des AN. Er habe seine Prüfpflicht vollständig erfüllt. Daher muss er für den Mangel seiner Leistung, für den alleine der Untergrund verantwortlich ist, nicht eintreten.

Mangel
Mit knappen Worten (6 Zeilen im Urteil!) stellt das Gericht fest, dass die Leistung des AN mangelhaft ist. Der Bodenbelag wurde zwar fachlich korrekt, jedoch auf einem ungeeigneten Untergrund verlegt. Er erfüllt nicht die vereinbarte und vorausgesetzte Funktion, da er Wölbungen und Beulen aufweist und außerdem Knackgeräusche beim Betreten abgibt.

Ausreichende Prüfung befreit von Mängelhaftung
Trotzdem haftet der AN nicht für die Mängel. Das Gericht formuliert:

„Der Werkunternehmer wird von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte.“

Es ist überzeugt davon, dass der AN den Untergrund in der gebotenen Weise geprüft hat. Trotzdem konnte er nicht erkennen, dass der Untergrund aus Walzasphaltestrich bestand bzw. dass er für die Verlegung des Bodenbelags ungeeignet war. Daher musste der AN auch keine weiteren Prüfungen bis hin zur Entnahme von Bohrkernen durchführen. Die durchgeführte Kratzprobe reichte aus.

Der AN durfte davon ausgehen, dass in dem Gewerbeobjekt kein Walzasphalt verbaut ist, weil dieser häufig in Fabrik- und Tennishallen bzw. im Straßenbau verwendet wird. Da sich Walzasphalt und Gussasphalt nicht optisch unterscheiden, durfte der AN annehmen, dass es sich bei dem von ihm erkannten Asphalt-Untergrund um Gussasphalt handelt. Gussasphalt ist – anders als  Walzasphalt – als Untergrund für den beauftragten Bodenbelag geeignet.

Der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, dass nur anhand von Kernbohrungen festgestellt werden kann, um welche Art von Asphalt es sich handelt.

Es gab auch keine Umstände, die den AN hätten veranlassen müssen, weitere Prüfungen durchzuführen. So sei keinerlei Feuchtigkeit festzustellen gewesen; auch die vorhandene Spachtelmasse sei in einwandfreiem Zustand gewesen. Teilweise waren noch Klebstoffreste auf dem Boden vorhanden, die darauf schließen ließen, dass hier schon früher ein Bodenbelag vorhanden war. Ohne solche Indizien war der AN nicht verpflichtet, zum Beispiel Kernbohrungen zu veranlassen, um exakt festzustellen, welcher Asphalt verbaut wurde.

Das Gericht hat deshalb die Klage des AG abgewiesen. Der AN muss also den verlangten Vorschuss für die Mängelbeseitigung nicht bezahlen.

 

Praxistipp:

Die Entscheidung beleuchtet einen sehr wesentlichen Aspekt im Zusammenhang mit der Mängelhaftung des Unternehmers.

Grundsätzlich gilt:

1.
Der Werkunternehmer (AN) ist verpflichtet, ein mangelfreies Werk abzuliefern. Er schuldet also den Erfolg.

2.
Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es nicht die vorgesehene Funktion erfüllt, auch wenn der Unternehmer die Leistung wie beauftragt ausgeführt hat

3.
Der Unternehmer haftet für den Mangel seines Werks auch dann, wenn er ihn nicht verschuldet hat.

4.
Er ist nur dann von der Mängelhaftung befreit, wenn er in der richtigen Weise vor Ausführung der Arbeiten Bedenken angemeldet hat. Das Fehlen eines ordnungsgemäßen Bedenkenhinweises ist also keine Voraussetzung für einen Mängelanspruch des AG. Vielmehr führt ein unterlassener Bedenkenhinweis nur dazu, dass der AN weiter in seiner Mängelhaftung bleibt.

5.
Auch wenn der AN keine Bedenken anmeldet, muss er trotzdem nicht für die Mängel seiner Leistung haften, wenn er die Vorleistung, die Anordnung des AG, die vorgeschriebenen Baustoffe, die vereinbarte Art der Ausführung etc. intensiv geprüft und trotz Erfüllung dieser Prüfpflicht die Ungeeignetheit der Vorleistung etc. nicht erkennen konnte.

Dieser letzte Aspekt bereitet in der Praxis die größten Schwierigkeiten.

Zunächst ist häufig schon der Umfang der Prüfpflicht kaum exakt festzulegen. Die VOB/C zählt für die einzelnen Gewerke jeweils unter Ziff. 3.1.1 beispielhaft auf, welche Umstände als Bedenken anzumelden sind. Daraus ergibt sich, dass der Unternehmer prüfen muss, ob diese Umstände vorliegen. Allerdings handelt es sich lediglich um Beispiele. Der Unternehmer kann also nicht argumentieren, er habe seine Prüfpflicht voll erfüllt, weil er alle Umstände, die in Ziff. 3.1.1 der VOB/C für sein Gewerk aufgeführt sind, geprüft hat.

Wenn der AN Anhaltspunkte findet, aus denen er mit seinem voraussetzenden Fachwissen auf Probleme für die Ausführung seiner Arbeiten schließen muss, erweitert sich seine Prüfpflicht auch auf diese Probleme.

Beispiel:

Eine AN, der die Oberfläche bearbeitet, muss grundsätzlich nicht den gesamten Untergrundaufbau prüfen. Er muss nur sicher sein, dass die Oberfläche, die er zu bearbeiten hat, geeignet ist, seine Leistung dauerhaft mangelfrei zu tragen. Wenn er allerdings bereits Risse im Putz oder in der Spachtelung der Rigips-Platten des Trockenbaus oder Hohlklang im Untergrund sowie Feuchtigkeitserscheinungen erkennt, muss ihm klar sein, dass der Untergrund möglicherweise doch nicht dauerhaft schadensfrei ist und sich diese Mängel auf seine Leistung auswirken. Dann muss er weiter prüfen oder – wie in Ziff. 4 oben beschrieben – Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit des Untergrunds anmelden.

Diese Sachverhalte bieten immer ein weites Feld an Argumentation, ob der AN irgendetwas Relevantes bei der Erfüllung seiner Prüfungspflicht hätte erkennen können und ob ihn dies zu weiteren Prüfungen veranlassen musste.

Die Ziff. 5 ist oft nur der letzte Rettungsanker, wenn der AN keine Bedenken angemeldet hat. Zu empfehlen ist auf jeden Fall, rechtzeitig in der richtigen Weise Bedenken anzumelden. Diese Bedenkenanmeldung führt mit Sicherheit zur Befreiung von der Mängelhaftung.