Sachverhalt:

Im Vorwege einer Auftragserteilung verlangt der Auftraggeber (AG), dass Abschlagszahlungen nur dann erfolgen, wenn der Auftragnehmer (AN) vom Bauherrn bestätigte Aufmaße vorliegt. Der AN legt am Ende der Verhandlungen sein endgültiges Angebot vor. Darin ist vorgesehen, dass Abschlagsrechnungen zu 100 % ausgezahlt werden. Der AG ergänzt dieses Angebot handschriftlich mit dem Vermerk „so lange anerkannte Aufmaße vom Bauherrn vorliegen“ und unterzeichnet das Angebot. Der AN legt keine Aufmaße vor. Die Parteien streiten sich über die Vergütung. Das Gericht (OLG Koblenz, Urteil vom 23.07.2013, AZ:2U 812/12) gibt der Werklohnklage des AN mit folgender Begründung statt:

Urteil:

Nach der Auffassung des OLG Koblenz ist die handschriftlich vom AG eingefügte Ergänzung des Angebots nicht Vertragsbestandteil geworden. Mit der Einfügung in das Angebot hat der AG das Angebot des AN nicht angenommen. Vielmehr hat er ein neues Angebot unterbreitet. Dieses neue Angebot hat der AN nicht angenommen, auch nicht dadurch, dass er die Arbeiten kommentarlos durchgeführt hat. Nach Ansicht des Gerichts durfte der AG nämlich nicht davon ausgehen, dass der AN das geänderte Angebot annimmt. Die Änderung betraf nämlich einen wesentlichen Vertragsinhalt und lag erheblich außerhalb des Ergebnisses der gemeinsamen Vertragsverhandlungen. Damit haben die Parteien sich nach der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht darüber geeinigt, dass der AG nur dann Zahlungen erhält, wenn er ein Aufmaß vorliegt, das der Bauherr bestätigt hat.

Praxistipp:

Das Urteil des OLG Koblenz ist zu kritisieren. Es missachtet wesentliche Grundlagen des Vertragsrechts. Richtig ist sicherlich die Feststellung, dass die handschriftliche Änderung durch den AG des Angebots des AN als Zurückweisung des Angebots des AN verbunden mit einem neuen Angebot des AG zu werten ist. Der AN macht einen Zahlungsanspruch aus einem Werkvertrag geltend. Dazu muss ein solcher Vertrag erst einmal geschlossen werden. Der AN muss also das Angebot des AG angenommen haben, damit er überhaupt einen Werklohnanspruch geltend machen kann. Wenn das Gericht nun argumentiert, dass der AN das (neue) Angebot des AG auch nicht durch die kommentarlose Aufnahme der Arbeiten angenommen hat, müsste es eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Unternehmer gar keinen vertraglichen Zahlungsanspruch hat. Das Gericht umgeht diese Problematik, indem es annimmt, der Vertrag sei ohne die handschriftliche Ergänzung geschlossen worden. Diese Annahme widerspricht aber der grundlegenden Regel, dass ein Vertrag durch zwei vollständig übereinstimmende Willenserklärungen zu Stande kommt. Eventuell kann ein Vertrag auch geschlossen werden, wenn die Willenserklärungen ganz geringfügig voneinander abweichen. Eine solche geringfügige Abweichung liegt hier nicht vor. Die Frage, ob zusätzliche Voraussetzungen für die Zahlung der Vergütung vorliegen, ist auf jeden Fall wesentlich.

Nach meiner Auffassung hätte das Gericht für den eingeklagten Werklohnanspruch andere rechtliche Grundlagen prüfen müssen, da ein vertraglicher Anspruch nicht gegeben ist. Wenn jedoch andere (gesetzliche) Grundlagen herangezogen werden, bekommt der Unternehmer eventuell nur eine geringere Vergütung als vertraglich vereinbart. Er könnte dann eventuell nur die übliche Vergütung erhalten. Diese kann durchaus niedriger liegen als die vertraglich vereinbarte.

Dem Unternehmer ist daher unbedingt zu raten, die Auftragsschreiben des Auftraggebers genau zu prüfen, auch wenn der Auftraggeber kein eigenes Schreiben verfasst, sondern nur das Angebot des Unternehmers unterzeichnet hat. Es könnten, wie im vorliegenden Fall, handschriftliche Eintragungen erfolgt sein. In diesem Fall sollte der AN unbedingt schnellstens, also innerhalb von maximal drei Tagen, eine Änderung seines Angebots durch den AG widersprechen und zwar schriftlich. Keinesfalls sollte er ohne einen solchen Widerspruch einfach die Arbeiten beginnen und ausführen.

OLG Koblenz, Urteil vom 23.07.2013, AZ:2U 812/12