Sachverhalt:
Ein Unternehmer führt Natursteinarbeiten bei einem Einfamilienhaus aus. Nach Zahlung der Schlussrechnung zeigen sich Mängel. Die AGin verlangt vom Planer und vom AN Schadenersatz wegen der Mängel und zwar vom AN in Höhe von 75 % der fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Sie berechnet den Schadenersatz also nach den Kosten, die für die vollständige Beseitigung der Mängel aufgewandt werden müssen.

 

Urteil:
Der BGH nutzt das Revisionsverfahren, um seine jahrzehntelange Rechtsprechung zu ändern.

Es geht um die Frage, welcher Schaden der AGin entstanden ist, wenn sie das mangelhafte Werk behält und auf die Beseitigung des Mangels verzichtet. Grundsätzlich kann sie dann Schadenersatz in Geld verlangen und zwar in der Höhe, in der sie aufgrund des Mangels einen Vermögensschaden erlitten hat. Bisher war es nach der Auffassung des BGH und der darauf beruhenden absolut herrschenden Meinung möglich, diesen Vermögensschaden nach der Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu ermitteln. „Denn bereits der Mangel des Werks selbst sei – unabhängig von dessen Beseitigung – der Schaden, und zwar in Höhe dieser Kosten.“

Im Urteil heißt es weiter:

„Hieran hält der Senat jedenfalls für ab dem 01. Januar 2002 geschlossene Werkverträge nicht mehr fest.“

Der Vermögensschaden, den die AGin durch das mangelhafte Werk erlitten hat, ist nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu berechnen. Vielmehr muss jetzt eine „Vermögensbilanz“ erstellt werden. Es muss die Differenz zwischen dem (hypothetischen) Wert der mangelfreien Sache und dem (tatsächlichen) Wert der mangelhaften Sache, die durch die fehlerhafte Bearbeitung durch den AN entstanden ist, ermittelt werden.

Der BGH erleichtert die Berechnung dadurch etwas, dass die Differenz zwischen der vereinbarten Vergütung für das Werk und dem Minderwert des Werks wegen des Mangels geschätzt wird. Denn nach dem BGH entspricht die vereinbarte Vergütung dem (hypothetischen) Wert der mangelfreien Sache.

 

Praxistipp:
Die Grundsatzentscheidung des BGH hat wesentliche Auswirkungen auf die Praxis.

Zunächst ist unsicher, wie denn der (tatsächliche) Wert der mangelhaften Sache ermittelt werden kann. Dazu sind im Rechtsstreit sicherlich Bausachverständige zu befragen. Nach welchen Kriterien sie allerdings die Berechnung anstellen sollen, ist unklar. Das wird in Zukunft mit Sicherheit zu unterschiedlichen Auffassungen und Streitigkeiten führen. Weitere Gerichtsentscheidungen werden notwendig sein, um eine endgültige Klärung herbeizuführen. Das bedeutet sowohl für AG als auch für AN in der Praxis eine erhebliche Unsicherheit über die Höhe des Schadensersatzanspruches.

Außerdem hat das Urteil Auswirkungen auf laufende Prozesse, in denen die AGin den Schadenersatz für ein mangelhaftes Werk nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet und einen entsprechenden Klagantrag gestellt hat. Angesichts des BGH-Urteils muss sie reagieren, da sonst die Klage abgewiesen wird. Sie hat folgende Möglichkeiten:
Sie stellt die Berechnung der Klageforderung um und begründet die Höhe nicht mehr mit den fiktiven Mängelbeseitigungskosten, sondern mit der Differenz des hypothetischen zum tatsächlichen Wert des Werks, so wie der BGH es jetzt entschieden hat.

Oder stellt sie den Klagantrag um auf die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Kosten für die Mängelbeseitigung. Eine solche Umstellung ist keine Klageänderung und damit ohne weiteres zulässig. Bei einer sog. Vorschussklage ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass die AGin verpflichtet ist, mit diesem Geld die Mängel zu beseitigen. Danach muss sie darüber abrechnen. Häufig kommt es dann zum Streit mit dem AN, ob die entstandenen Kosten angemessen und erforderlich waren. Ein solcher Streit entsteht nicht bei einem Schadensersatzanspruch. Die AGin ist nicht verpflichtet, mit der Schadenersatzzahlung die Mängel zu beseitigen. Daher muss sie auch darüber nicht abrechnen.

Eine andere Möglichkeit ist, dass sie den Mangel beseitigen lässt und anschließend die dafür tatsächlich entstandenen Kosten als Schadenersatz vom AN verlangt.

Das Urteil mag zwar rechtsdogmatisch besser begründet sein als die Berechnung des Schadenersatzes nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Allerdings bereitet der BGH damit der Praxis größere Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche bei Mängeln der Werkleistung. Wie auch immer: Wir müssen uns in Zukunft schlichtweg nach dem Urteil richten!

(BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17)