Sachverhalt:

Der Auftragnehmer (AN) soll bei dem Neubau einer Schule Metallarbeiten ausführen. Die geschuldeten Arbeiten ergeben sich aus einem detaillierten Leistungsverzeichnis, das der Auftraggeber (AG) erstellt hatte. Auf dieser Basis wurde der Werkvertrag geschlossen. Nach Abschluss des Bauvertrags entschied der AG, dass zwei Positionen aus dem LV nicht ausgeführt werden sollen. Der AN wertet diese Maßnahme als Teilkündigung seines Vertrags und berechnet gemäß § 8 VOB/B die dafür vorgesehene Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs. Der AG ist der Auffassung, es läge hier eine Mindermenge vor, die über § 2 Abs. 3 VOB/B abgerechnet werden müsse.

 

Entscheidung:

Das OLG München spricht dem Auftragnehmer die berechnete Vergütung zu. § 2 Abs. 3 VOB/B betrifft diejenigen Fälle, in denen sich nach der Ausführung der Arbeiten aufgrund des Aufmaßes über die ausgeführten Mengen herausstellt, dass die ursprünglichen Mengenannahmen im Angebots-/Auftrags-LV nicht zutreffen. Dadurch ist das Verhältnis von Leistung zu kalkulierter Gegenleistung (Preis) gestört. Deshalb ist der Preis nach den Regeln des § 2 VOB/B anzupassen. Wenn der AG aber, wie hier, auf die Ausführung ganzer Positionen verzichtet, hat das nichts mit ursprünglichen Ungenauigkeiten in der Mengenermittlung zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine isolierte (selbstverständlich zulässige) Entscheidung des Auftraggebers nach Vertragsschluss. Auf diesen Fall ist tatsächlich § 8 VOB/B anzuwenden, auch wenn der AG entgegen der Regelung in § 8 Abs. 5 VOB/B gar nicht schriftlich gekündigt hat. Eine solche schriftliche Kündigung ist bei dem einseitigen Verzicht auf die Ausführung vertraglich vereinbarter Leistungen nicht erforderlich für die Abrechnung nach § 8 VOB/B.

(OLG München, Beschluss vom 02.04.2019, Aktenzeichen: 28 U 413/19 Bau)

 

Hinweis für die Praxis:

Der AN rechnet in diesem Fall gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B ab. Die dortige Regelung entspricht dem § 649 BGB, der die Art der Abrechnung bei einem ohne wichtigen Grund gekündigten Bauvertrag regelt:

Dem Auftragnehmer steht die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 649 BGB).“

 Der Abrechnung erfolgt also in zwei Schritten:

1.

Ausgangspunkt ist die vereinbarte Vergütung. Dabei handelt es sich nicht zwingend um den Gesamtpreis der entfallenden Position gemäß Auftrags-LV. Vielmehr ist von derjenigen Vergütung auszugehen, die der AN erhalten hätte, wenn er die Arbeiten ausgeführt hätte. Es kann also der Fall eintreten, dass er nachweisen kann, dass die Menge im Auftrags-LV zu niedrig angesetzt war. Dann ist von dem Positionspreis auszugehen, der sich bei der tatsächlich auszuführenden Masse ergeben hätte.

2.

Anschließend muss der AN diejenigen Kosten abziehen, die ihm aufgrund der Herausnahme der Arbeiten aus dem Vertrag nicht mehr entstehen. Es handelt sich dabei regelmäßig um die Kosten des Materials, das für die Ausführung der Arbeiten benötigt worden wäre. Hinzu kommen zum Beispiel Fahrtkosten für die Arbeitnehmer oder Kosten, die der AN für den Einsatz eines Subunternehmers zur Ausführung ebendieser Arbeiten hätte aufwenden müssen. Wenn er mit eigenem Personal gearbeitet hätte, erspart er die Lohnkosten üblicherweise nicht, da seine Mitarbeiter normalerweise nicht projektbezogen, sondern mit einer wöchentlichen oder monatlichen Vergütung bezahlt werden, gleich, ob sie die Arbeiten an der fraglichen Baustelle ausführen.

Außerdem muss der AN diejenigen Erlöse abziehen, die er für das Abarbeiten solcher Aufträge erhält, die er nur aufgrund der Kündigung zusätzlich hat oder hätte annehmen können.

 

Wichtig:

Für die so berechnete Vergütung für gekündigte Arbeiten kann der AN keine Umsatzsteuer verlangen. Es liegt ja gerade kein Leistungsaustausch vor, der Voraussetzung für das Entstehen der Umsatzsteuer ist.