Dem Auftraggeber stehen im BGB-Werkvertrag vor der Abnahme jedenfalls dann Mängelrechte (hier: Anspruch auf Zahlung von Kostenvorschuss) zu, wenn die vom Auftragnehmer angebotene Mängelbeseitigung offensichtlich unzulänglich ist.

 

Sachverhalt:
Der Unternehmer soll auf einer Terrasse Platten verlegen. Er soll dabei auch Lichtpunkte in die Fläche einbauen. Außerdem soll die Pflasterung mit einer Spezialimprägnierung versehen werden. Schon während der Ausführung der Arbeiten rügt der Auftraggeber Mängel der Imprägnierung und der Lichtpunkte. Der Unternehmer bessert nach, aus der Sicht des Kunden jedoch nicht ordnungsgemäß. Er behauptet, die Mängel bestünden weiterhin. Das Angebot des Unternehmers, noch einmal nachzuarbeiten, lehnt er ab. Daraufhin verklagte ihn der Unternehmer auf Zahlung des Werklohns. Er ist der Meinung, der Auftraggeber befinde sich im Verzug mit der Annahme der Mängelbeseitigung. Der Auftraggeber seinerseits erhebt Widerklage, verlangt also vom Unternehmer in demselben Rechtsstreit die Zahlung des Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung.

 

Urteil:
Auch das Berufungsgericht weist die Klage des Unternehmers ab und spricht dem Auftraggeber den Vorschuss für die Mängelbeseitigungskosten in vollem Umfang zu (OLG Schleswig, Urteil vom 16.07.2015, Az: 7 U 124/14). Es geht grundsätzlich davon aus, dass bei einem BGB-Bauvertrag der Auftraggeber keine Mängelansprüche erheben kann, bevor die Leistung des Unternehmers nicht fertig gestellt und die Abnahme erfolgt ist. Hier liegt nach Meinung des Gerichts aber eine Ausnahme vor. Aus den eingeholten Gutachten gehe hervor, dass die Arbeiten zur Mängelbeseitigung, die der Unternehmer zuletzt angeboten hatte, unzureichend gewesen wären. Sie hätten nicht zur fachlich richtigen Beseitigung der Mängel geführt. Der Auftraggeber musste auch keine weiteren Fristen für die Nacherfüllung mehr setzen, weil schon mehrere Mängelbeseitigungsversuche des Unternehmers fehlgeschlagen seien. Daher kann der Auftraggeber einen Vorschuss für die eigene Durchführung der Mängelbeseitigung verlangen, obwohl er die Arbeiten noch nicht abgenommen hat.

 

Praxistipp:
Die Baujuristen streiten immer noch darüber, ob ein Auftraggeber schon vor der Abnahme z.B. das Recht hat, einen (festgestellten) Mangel selbst zu beseitigen. Hätte er dieses Recht, könnte er auch einen Vorschuss für die dafür entstehenden Kosten vom Auftragnehmer verlangen. Vereinzelt haben Gerichte bislang Auftraggebern dieses Recht dann zugestanden, wenn der Unternehmer ausdrücklich und endgültig die Beseitigung eines festgestellten Mangels verweigert hat. Mit der vorliegenden Entscheidung dehnt das OLG Schleswig die Rechtsprechung auch auf den Fall aus, dass der Auftragnehmer, der ausdrücklich seine (weitere) Bereitschaft zur Mängelbeseitigung erklärt hat, dieses Recht verloren hat, weil die von ihm angebotene Nacharbeit nicht erfolgreich gewesen wäre.

Weil Revision eingelegt wurde, hat der BGH jetzt die Möglichkeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Möglicherweise haben wir in 1 bis 2 Jahren Klarheit durch ein höchstrichterliches Urteil.

Bis dahin muss der Grundsatz gelten, dass bei einem BGB-Bauvertrag keine Mängelansprüche vor der Abnahme bestehen. Der Auftragnehmer sollte sich darauf berufen. Zumindest sollte er, wenn die Mängelrüge des Auftraggebers berechtigt ist, eine Mängelbeseitigung anbieten. Der Auftraggeber eines BGB-Bauvertrags muss darlegen, dass der Auftragnehmer sein Recht zur Mängelbeseitigung verloren hat, also eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen ist.