Der Auftraggeber braucht sich nicht mit einer Mängelbeseitigung zufrieden zu geben, die nur die offen zu Tage getretenen Mängel beseitigt. Birgt die ausgeführte Werkleistung das Risiko einer späteren Schadens in sich, muss der Auftraggeber den Schadenseintritt nicht erst abwarten. Für die Annahme eines Baumangels reicht es bereits aus, wenn eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs besteht.

Sachverhalt:

Bei einem neugebauten Einfamilienhaus stellt der AG Fehlstellen und Undichtigkeiten der Dampfbremse fest. Der Bauträger bestreitet den Mangel und reagiert auf die Frist zur Mängelbeseitigung nicht. Der AG verlangt Vorschuss für die vollständige Erneuerung der Dampfbremse. Der gerichtliche Sachverständige stellt in den Bereichen, die er hat öffnen lassen, kleinere Undichtigkeiten fest. Er kann nicht ausschließen, dass in den nicht geöffneten Bereichen keine Fehlstellen vorhanden sind, die zu Schäden führen könnten.

Urteil:

Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 29.11.2013, AZ: 13 U 80/12) gibt dem Bauherrn recht. Der Bauträger muss die Kosten für die vollständige Erneuerung der Dampfbremse (ca. 23.000,– €) und nicht nur ca. 5.000,– € für die Beseitigung der vom Sachverständige festgestellten Leckagen bezahlen.

Die Werkleistung ist mangelhaft und zwar nicht nur wegen der vom Sachverständigen ganz konkret festgestellten Fehlstellen in den von ihm geöffneten Bereichen. Der Mangel liegt auch darin, dass ein deutliches Risiko besteht, dass in den übrigen Bereichen ebenfalls Fehlstellen vorhanden sind. Solche Fehlstellen können zu ganz erheblichen Schäden führen.

Die Leistung ist auch dann mangelhaft, wenn ungewisse Risiken über den langfristigen Gebrauch des Werks bestehen. In diesem Fall muss der AG nicht erst abwarten, bis der Schaden eintritt. Er kann schon jetzt die Nacherfüllung hinsichtlich der gesamten Leistung verlangen.

Praxistipp:

Das Urteil reiht sich ein in eine Serie von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zu dieser Frage.

Auf den AN können damit erhebliche Kosten zukommen. Sobald das Gericht durch ein Sachverständigengutachten überzeugt ist, dass das Risiko weiterer als der stichprobenartig festgestellten Mängel besteht und dass dadurch größere Schäden z.B. an der Bausubstanz im Laufe der Standzeit des Gebäudes auftreten können, wird es den AN verpflichten, seine gesamte Leistung zumindest zu überprüfen und gegebenenfalls komplett neu zu erbringen.

Denkbar sind derartige Situationen z.B. im Bereich von Abdichtungen, bei der Haftung von Beschichtungen auf dem Untergrund, bei der Befestigung eines WDVS oder von Elementen einer Glasfassade etc..

Und wenn es sich um technische – also nicht nur optische – Mängel handelt, wird sich der AN auch nicht darauf berufen können, dass die Kosten der vollständigen Erneuerung der Leistung unverhältnismäßig hoch sind.