Sachverhalt:

Ein Hauseigentümer beauftragt den Unternehmer mit Natursteinarbeiten. Nach Abnahme der Arbeiten und Bezahlung der Rechnung traten Mängel auf in Form von Rissen und Abplatzungen an den Platten. Der Auftraggeber erhebt Klage auf Vorschuss in Höhe von gut 91.000,00 € für die Kosten der Mängelbeseitigung. Im Laufe des Rechtsstreits verkauft er das Haus. Jetzt stellt er seine Klage um von Vorschuss auf Schadenersatz. Den Schadenersatz bemisst er nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung. Das Berufungsgericht gibt der Klage in Höhe von gut 77.000,00 € statt.

 

Urteil:

Der BGH ist anderer Meinung. Er ändert seine bisherige Rechtsprechung. Wenn der Auftraggeber einer Werkleistung das mangelhafte Werk behält, die Mängel aber nicht beseitigen lässt, sondern von seinem Recht Gebrauch macht, Schadenersatz zu verlangen, so kann sich dieser Schaden nicht nach der Höhe der Kosten richten, die für eine Beseitigung der Mängel voraussichtlich aufgewendet werden müssen. Nach Ansicht des BGH führt diese jahrzehntelange Praxis leicht zu einer Überkompensation und damit zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung des Auftraggebers. Vielmehr muss der eine Vermögensbilanz aufstellen, bei der der hypothetische Wert der Sache ohne Mangel mit dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel verglichen wird. Die sich hieraus ergebende Differenz kann der Auftraggeber im Wege des Schadenersatzes einklagen.

 

Praxistipp:

Das BGH-Urteil wird schon als Jahrhundertentscheidung gepriesen. Es stellt tatsächlich einen wesentlichen Wandel im Bereich des werkvertraglichen Mängelrechts dar. Grundsätzlich werden die Rechte des Auftraggebers, die ihm das Gesetz bietet, nicht geändert. Er kann nach wie vor das mangelhafte Werk behalten und z.B. Vorschuss für die Kosten der Mängelbeseitigung oder Schadenersatz für das mangelhafte Werk verlangen. Mit dem Vorschuss muss er den Mangel beseitigen und anschließend die dafür aufgewandten Kosten gegenüber dem Auftragnehmer abrechnen. Derjenige Auftraggeber, der diesen teilweise aufwändigen Weg mit dem Risiko eines weiteren Streits im Zusammenhang mit der Abrechnung der aufgewandten Kosten nicht gehen oder der ganz einfach die Mängel nicht beseitigen wollte, z.B. weil er gut mit ihnen leben konnte, entschied sich gerne, Schadenersatz zu verlangen. Diesen Schadenersatz kann der Auftraggeber behalten. Er ist nicht verpflichtet, damit den Mangel zu beseitigen. Bisher war die einhellige Meinung, dass der Schaden sich nach der Höhe der notwendigen Mängelbeseitigungskosten richtet. Diese waren z.B. durch Kostenvoranschläge von Fachunternehmen oder durch Kostenermittlungen von Architekten zu ermitteln. Wenn diese Angaben einigermaßen nachvollziehbar waren, wurde dem Auftraggeber der Schadenersatz problemlos zugesprochen. Diese Situation ist oft kritisiert worden, da in der Praxis beobachtet wurde, dass Auftraggeber den Mangel häufig als äußerst gravierend darstellten, ihn aber trotzdem nicht beseitigten, nachdem sie den Schadenersatz erhalten hatten.

 

Diese Situation hat den BGH veranlasst, seine Rechtsprechung zu überprüfen.

 

Es ist davon auszugehen, dass die Klagen auf Schadenersatz für ein mangelhaftes Werk, dass der Auftraggeber behält, deutlich zurückgehen werden. Die Begründung für die Höhe des Schadenersatzes ist nach dem BGH-Urteil deutlich schwieriger geworden. Deshalb werden in Zukunft sicherlich stark vermehrt Klagen auf Vorschuss eingereicht werden.

 

Diese Situation hat für den Unternehmer den deutlichen Vorteil, dass er keine Zahlungen mehr für Arbeiten zur Mängelbeseitigung leisten muss, die letztlich gar nicht ausgeführt werden. Nachteilig sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer ist, dass über den Vorschuss abgerechnet werden muss. Dadurch ist oft der nächste Streit vorprogrammiert.

 

BGH, Urteil vom 22.2.2018, AZ: VII ZR 46/17