1. Entspricht ein Werk nicht den anerkannten Regeln der Technik, stellt dies grundsätzlich einen Mangel dar. Etwas anderes gilt, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber vor oder bei Vertragsschluss auf diesen Umstand hingewiesen hat.
  2. In Sanierungsfällen ist bei der vollständigen Erneuerung von Bauteilen auch ohne besondere Vereinbarung oder Hinweise davon auszugehen, dass das Werk den aktuellen anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss.

OLG Oldenburg, Urteil vom 28.02.2012 – 2 U 62/11 (BGH hat am 10.04.2014 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen VII ZR 97/12)

Sachverhalt:
Der Erwerber eines älteren Hauses beauftragte einen Fliesenleger, neue Bodenfliesen zu verlegen, da die alten rissig waren. Der Unternehmer schlug vor, „Entkoppelungsmatten“ zu verlegen. Diese Matten würden eventuelle Bewegungen des Estrichs und der Fliesen, die wegen der eingebauten Fußbodenheizung zu erwarten sind, aufnehmen. Dadurch würden Risse verhindert. Nach Durchführung der Arbeiten stellte der AG Hohllagen der Fliesen und Risse fest. Er verlangte vom AN die Kosten für die Neuherstellung.

Urteil:
Das OLG gab der Klage statt. Die Entkoppelungsmatten entsprechen nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Ein Sachverständiger bestätigte, dass sie zwar durchaus gebräuchlich sind. Es bestünden jedoch keine Langzeiterfahrungen. Auch die Stellungnahme des Fachverbands stützte diese Annahme. Wenn der Unternehmer die anerkannten Regeln der Technik nicht einhält, ist seine Leistung mangelhaft. Die Regeln sind grundsätzlich auch bei umfangreichen Sanierungsarbeiten wie im vorliegenden Fall einzuhalten, ohne dass dies speziell vertraglich vereinbart wird.

Praxistipp:
Das Urteil ist nicht zu beanstanden. Hält der Werkunternehmer die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht ein, ist sein Werk mangelhaft. Eine Ausführung entspricht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, wenn sie in Theorie und Praxis (Sachverständige und Ausführende) anerkannt ist und sich langjährig in der Praxis bewährt hat. Es reicht nicht, dass nur eine Voraussetzung erfüllt ist; alle 3 müssen gegeben sein.

Regelmäßig wird die Bedingung der langjährigen Bewährung in der Praxis übersehen. Der Unternehmer darf sich also nicht darauf verlassen, dass alle namhaften Anbieter ein entsprechendes Material in ihrem Programm hätten und viele Kollegen so arbeiteten. Dann fehlt immer noch die langjährige Bewährung in der Praxis.

Es gibt gewichtige Stimmen, die meinen, auch WDVS entsprächen nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, da keine langjährige Praxisbewährung z.B. hinsichtlich der Entsorgung besteht. Außerdem hätten sich die Materialien in den letzten Jahren so stark verändert, dass jedenfalls mit dem derzeit am Markt erhältliche Material keine langjährige Erfahrung vorliegt. Es ist auch fraglich, ob die Erfahrungen hinsichtlich der Änderung der Bauphysik bei den verschiedenen Objekten mit ihren unterschiedlichen baulichen Bedingungen langjährig so gesichert sind, dass von einer entsprechenden Praxisbewährung gesprochen werden kann. Und kann man angesichts der Problematik mit Vergrünen der WDVS-Fassaden aufgrund der niedrigen Oberflächentemperatur davon sprechen, dass WDVS sich in der Praxis bewährt haben?

Ich möchte nicht unnötig Unsicherheiten wecken. Es ist nicht zu erkennen, dass ein Gericht in naher Zukunft die Anbringung eines WDVS als mangelhaft wegen der Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik beurteilen wird. Ich möchte damit aber den Blick schärfen, dass die langjährige Bewährung in der Praxis als Voraussetzung der allgemein anerkannten Regeln der Technik immer beachtet werden muss