Wenn der Besteller ein objektiv berechtigtes Interesse an der ordnungsgemäßen Erfüllung hat, kann die Mängelbeseitigung nicht wegen der hohen Kosten verweigert werden.

(OLG Frankfurt, Urteil vom 22. Januar 2014, 4 U 38/13)

 

Sachverhalt:

Der Unternehmer errichtet 1993 ein Blockbohlenhaus für den Auftraggeber. Gegen den Werklohnanspruch wendet der Bauherr erhebliche statische Mängel ein. Er behauptet, diese Mängel seien nur durch den Abriss und die Neuerrichtung des Hauses zu beseitigen. Das koste ungefähr 450.000,– €.

 

Entscheidung:

Das Gericht gibt dem Bauherrn Recht. Der Unternehmer muss ca. 430.000,– € zahlen.

Die tragenden Elemente des Hauses sind tatsächlich nicht ausreichend dimensioniert, „sodass es fortlaufend zu Setzungen, Verformungen und Undichtigkeiten an Wänden, Decken, Fenstern und Türanschlüssen komme.“ Der Mängelbeseitigungsanspruch ist also begründet.

Der Sachverständige des Gerichts kommt zu dem Ergebnis, dass es möglich sei, mit einem Aufwand von ca. 100.000,– € die Außenwände aufzudoppeln und dadurch die Stabilität herzustellen. Das Gericht kommt aber zu dem Ergebnis, dass die fachgerechte Mängelbeseitigung nur durch den Abriss und die neue Errichtung des Hauses erfolgen kann. Die Aufdoppelungen führten dazu, dass die charakteristischen Eckverkämmungen eines Blockbohlenhauses verschwinden bzw. wesentlich verkürzt würden. Außerdem gebe es durch die Aufdoppelungen Probleme mit den Abstandsflächen zu den Nachbarn. Es ist auch zu befürchten, dass der Verkehrswert des Hauses sinkt. Insgesamt ist nach Ansicht des Gerichts der Mängelbeseitigungsaufwand durch Abriss und Neubau nicht unverhältnismäßig.

„Unverhältnismäßigkeit ist danach in aller Regel nur anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen vertraglichen Leistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller hingegen objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung, kann ihm diese regelmäßig nicht wegen der hohen Kosten der Nachbesserung verweigert werden.“

Im vorliegenden Fall ist das Interesse des Auftraggebers, ein einwandfreies Blockbohlenhaus zu erhalten, ohne Zweifel berechtigt. Das Gericht weist auch darauf hin, dass die spezielle Optik des Hauses vom Auftraggeber gewünscht und vertraglich vereinbart worden war. „Es kann den Beklagten nicht zugemutet werden, im Wege der Nachbesserung des fehlerhaft erstellten Werkes ein – wenn auch nur unter optischen Gesichtspunkten – abweichend beschaffenes Werk aufgezwungen zu bekommen. Maßgeblich für den Umfang der Mangelbeseitigung ist vielmehr das vertraglich geschuldete Werk.“

Der Unternehmer kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Auftraggeber das Haus schon seit 20 Jahren nutze. Ein solches Argument spielt im Schadenersatzrecht eine Rolle, nicht aber im Gewährleistungsrecht. Grundsätzlich kann der Auftraggeber ohne Rücksicht auf die inzwischen vergangene Zeit ein vertragsgemäßes mangelfreies Werk verlangen. Die Ansicht des Unternehmers würde letztlich dazu führen, dass er nur lange genug mit der Beseitigung der Mängel seiner Leistung warten muss bzw. sie möglichst lange hinauszögern muss, um dann weniger leisten zu müssen, als hätte er die Mängel gleich beseitigt.

Auch das Argument des Unternehmers, zum Zeitpunkt der Ausführung habe es keine Berechnungsmethoden gegeben, um die Statik der anspruchsvollen Blockbohlenkonstruktion, die der Unternehmer selbst entwickelt hat, zu ermitteln, weist das Gericht zurück. Der Unternehmer hat sich vertraglich verpflichtet, trotz dieser Situation das Haus zu errichten. Dann muss es auch statisch einwandfrei ausgeführt werden.

 

Hinweis für die Praxis:

Das Urteil und der Sachverhalt sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass der Unternehmer sich bei technischen Mängeln seiner Leistung grundsätzlich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten berufen kann. Das Gericht führt dazu deutlich aus:

„Die dabei anzustellenden Abwägungen haben nichts mit dem Preis-/Leistungsverhältnis des Vertrages zu tun und ohne Bedeutung ist dabei auch das Verhältnis von Nachbesserungsaufwand zum Vertragspreis. Dieses Verständnis der Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung ergibt sich aus der Risikoverteilung des Werkvertrages. Der Unternehmer trägt grundsätzlich das Erfüllungsrisiko für die versprochene Leistung, und zwar ohne Rücksicht auf den dafür erforderlichen Aufwand. Er kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, dieser sei höher oder unverhältnismäßig höher als der vereinbarte Preis. Vielmehr ist er grundsätzlich zu jedem erforderlichen Aufwand verpflichtet. Diese Risikoverteilung wird nicht dadurch verändert, dass der Unternehmer mangelhaft leistet.“

Der vorliegende Fall ist sicherlich insoweit nicht alltäglich, als der Auftraggeber mit der Mängelbeseitigung, die der Sachverständige für technisch machbar und ausreichend hielt, in keiner Weise das bekommt, was er nach dem geschlossenen Werkvertrag verlangen kann. Dies ist sicherlich nicht immer gegeben. Dennoch sollte sich der Unternehmer der grundsätzlichen Rechtslage bewusst sein, um Zeit und Kosten für eine Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber, die schwer zu gewinnen ist, zu sparen.