Der Gerüstbauer hat nur dann einen Schadensersatzanspruch wegen Diebstahls von Gerüstteilen nach dem vollständigen Aufbau des Gerüsts, wenn der Auftraggeber zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat.

 

Sachverhalt:
Der Gerüstbauer hatte das Gerüst auftragsgemäß vollständig aufgebaut und seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Die Baustelle lag in einem Wohngebiet. Der Auftraggeber hatte einen 2 m hohen Bauzaun aus Stahlgittern aufgestellt. Die Zufahrtstore waren mit Schlössern versehen. Trotz dieser Maßnahmen wurden Gerüstteile gestohlen, deren Neuwert der Auftragnehmer mit über 42.000 € angibt. Er verlangt den Ersatz dieses Schadens vom Auftraggeber.

 

Urteil:
Das Gericht (OLG Frankfurt, Urteil vom 01.08.2014, Az: 2 U 17/14) weist die Klage ab. Hier handelt es sich um einen selbstständigen Gerüstvertrag. Dieser ist, nachdem das Gerüst aufgebaut wurde, als Mietvertrag anzusehen. Wenn der Mieter bei Ende des Mietvertrags die gemietete Sache nicht mehr zurückgeben kann, weil sie abhanden gekommen ist, hat der Vermieter grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch, denn der Mieter kann seine vertragliche Pflicht zur Rückgabe der Mietsache nicht einhalten. Der Schadensersatzanspruch bei einer vertraglichen Pflichtverletzung setzt jedoch voraus, dass den Mieter ein Verschulden trifft. Im vorliegenden Fall hat das OLG Frankfurt ein solches Verschulden des Mieters am Diebstahl verneint. Es hält die Schutzmaßnahmen (2 m hoher Bauzaun, mit Schloss gesicherte Tore) jedenfalls in diesem konkreten Fall (Wohngebiet ohne besonders hohes Diebstahlrisiko). Deshalb hielt es z.B. eine Videoüberwachung für nicht erforderlich. Da den Auftraggeber des Gerüstbauers also kein Verschulden am Abhandenkommen der Gerüstteile trifft, muss er dafür auch keinen Schadenersatz leisten. Der Gerüstbauer geht insgesamt leer aus.

 

Praxistipp:
Die Entscheidung des Gerichts ist zutreffend.

Bei der Beurteilung der Rechtslage im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Gerüsts ist zunächst zu trennen zwischen einem selbstständigen Gerüstvertrag und der Aufstellung eines Gerüsts, zu der der Auftragnehmer einer Werkleistung aufgrund der Regelungen im Vertrag ohnehin verpflichtet ist wie z.B. bei einem Vertrag über den Neuanstrich einer Fassade, in dessen Leistungsverzeichnis das Aufstellen des Gerüsts vorgesehen ist. In diesem Fall richten sich sämtliche Ansprüche des Auftragnehmers bezüglich des Gerüsts ausschließlich nach Werkvertragsrecht.

Ein selbstständiger Gerüstvertrag, den z.B. der Maler für die Fassadenarbeiten mit einem Gerüstbauer abschließt, ist in einen werkvertraglichen Teil und einen mietvertraglichen Teil aufzuspalten. Das Aufstellen, dass eventuelle Umbauen/Umstellen und der Abbau des Gerüstes sind ein Werkvertrag. Der Gerüstbauer schuldet insoweit den Erfolg, nämlich den fachgerechten Auf- , Um- und Abbau des Gerüstes. Die Standzeit, also die Vorhaltung des Gerüsts, gilt als Mietvertrag. Hier steht nämlich die bloße Überlassung der Nutzung des Gerüsts im Vordergrund.

Bei einem Werkvertrag muss der Auftragnehmer dafür sorgen, dass seine Leistung erhalten bleibt. Daher muss er sie z.B. vor Diebstahl schützen.

Während der Standzeit, also in der Phase des Mietvertrags, ist der Mieter dafür zuständig. Er muss die Maßnahmen ergreifen, die im konkreten Fall erforderlich sind, damit die gemietete Sache nicht entwendet wird. Unterlässt er dies, verletzt er seine Pflicht und ist deshalb bei Diebstahl dem Gerüstbauer (Vermieter) zum Schadenersatz verpflichtet (siehe oben Urteil OLG Frankfurt).

Da auch der Abbau des Gerüstes in den Bereich des Werkvertrags fällt, wechselt also die Schutzpflicht vom Auftraggeber (Mieter) auf den Gerüstbauer (Vermieter). Sobald der Auftraggeber den Abbau des Gerüstes verlangt, muss der Gerüstbauer aktiv werden und sich um den Schutz seines Gerüsts kümmern.

Wichtig:

Der Maler, der das Gerüst aufgrund des Bauvertrags mit seinem Auftraggeber stellen muss und dafür einen Gerüstbauer beauftragt, hat nicht immer Einfluss auf Schutzmaßnahmen vor Diebstahl. So kann er nicht eigenmächtig einen Bauzaun aufstellen oder ihn verändern, um die Sicherheit zu erhöhen. Dafür ist üblicherweise der Bauherr zuständig. In diesen Fällen sollte der Maler unbedingt seine Sicherheitsbedenken dem Auftraggeber schriftlich mitteilen und ihn auffordern, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des Gerüsts vor Diebstahl zu ergreifen. Andernfalls läuft der Maler große Gefahr, im Falle eines Diebstahls vom Gerüstbauer zum Schadenersatz herangezogen zu werden, weil er die notwendigen Schutzvorrichtungen nicht eingerichtet hat.

Wichtig:

Der Gerüstbauer muss seine mietvertraglichen Ansprüche, also z.B. die Schadensersatzansprüche wegen Diebstahls während der Standzeit, innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend machen. Danach sind sie verjährt.