1.

Wenn der Auftraggeber eine Abschlagsrechnung nicht zahlt, darf der Auftragnehmer seine Leistung nur einstellen, wenn er vorher dem Auftraggeber eine Nachfrist zur Zahlung gesetzt hat, die ergebnislos abgelaufen ist.

2.

Wenn der Auftragnehmer die Arbeiten einstellen und die Überschreitung der Fertigstellungsfrist droht, kann der Auftraggeber den Vertrag unter Umständen auch ohne Mahnung kündigen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.5.2014 (4 U 296/11) /BGH, Beschluss vom 21.5.2015 (VII ZR 128/14)

 

Sachverhalt:

Der AN verlangt restlichen Werklohn vom AG. Dieser hatte eine Abschlagsrechnung nicht vollständig ausgeglichen, da sie nicht prüfbar war. Der AN setzte keine weitere Frist zur Zahlung, sondern stellte unter Hinweis auf die fehlende Zahlung seine Arbeiten ein. Da die Überschreitung der Fertigstellungsfrist drohte, kündigte der AG den Vertrag, lässt die Leistung anderweitig Fertigstellen und rechnet mit den Mehrkosten der Fertigstellung auf.

 

Entscheidung:

Die Gerichte geben dem AG Recht! Er durfte die Arbeiten nicht einstellen. Einerseits war seine Abschlagsrechnung nicht prüfbar und somit nicht fällig. Außerdem fehlte seine Nachfristsetzung hinsichtlich der noch offenen Restzahlung (§ 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 VOB/B). Diese Fristsetzung ist auf jeden Fall Voraussetzung für die Einstellung der Arbeiten. Sie darf niemals fehlen.

Da der AN die weitere Ausführung der Arbeiten mit Hinweis auf die fehlende Zahlung verweigert hatte, durfte der AG den Vertrag kündigen, da die Fertigstellungsfrist sonst überschritten würde. Die Mehrkosten der Fertigstellung hat der AN zu tragen.

 

Praxistipp:

Die Entscheidung hält sich an die konkreten Regelungen und Vorgaben der VOB/B. Die Gerichte bestätigen noch einmal ausdrücklich, dass diese Regelungen einzuhalten sind. Für den AN bedeutet es, dass er seine Abschlagsrechnungen unbedingt prüfbar erstellen muss. Er muss sie also so aufstellen, dass der AG aus den Rechnungen schnell, klar und eindeutig entnehmen kann, welche Leistungen der AN bezahlt verlangt. Das kann sogar so weit gehen, dass bei einem Pauschalvertrag ein Aufmaß über die erbrachten Leistungen erstellt werden muss.

Wenn die Abschlagsrechnung nicht in dieser Weise aufgebaut ist, wird sie nicht fällig. Wegen einer nicht fälligen Abschlagsrechnung kann der AN auch niemals die Arbeiten einstellen.

Vor Einstellung der Arbeiten wegen Zahlungsverzug ist auf jeden Fall eine weitere Aufforderung mit Fristsetzung zur Zahlung des Restbetrags erforderlich. Ohne den Ablauf einer solchen Nachfrist dürfen die Arbeiten ebenfalls nicht eingestellt werden. Bis zum Ablauf der Nachfrist muss der A seine Arbeiten fortführen.

Die Entscheidung zeigt, wie riskant die Arbeitseinstellung wegen eines angeblichen Zahlungsverzugs tatsächlich sein kann. Im Falle eines Rechtsstreits können Jahre vergehen, bevor endgültig rechtskräftig feststeht, ob die Abschlagsrechnung prüfbar, die Werklohnforderung also fällig war, der AN daher die Arbeiten einstellen durfte.