Für die Anwendbarkeit des Widerrufsrechts ist es gleich, ob der Vertrag als Werkvertrag oder als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung eingeordnet wird.

Sachverhalt:

Die Eigentümer baten den Handwerker, zu ihnen zu kommen, um sich die Treppe in ihrem Haus anzusehen. Sie sollte renoviert werden. Bei dem Treffen vor Ort gab der Unternehmer ein Angebot ab. Der Bauherr wies es als zu teuer zurück. Daraufhin reduzierte der Unternehmer sein Angebot deutlich unter der Voraussetzung, dass der Bauherr sofort eine Anzahlung von 150,- Euro leistet. Der Bauherr stimmte zu und leistete die Anzahlung.

Die Treppe sollte mit individuell nach Maß hergestellten Teilen renoviert werden.

Eine Woche später kündigt der Bauherr den Vertrag. Er verlangt jetzt die Rückzahlung der 150,- Euro Anzahlung.

 

Urteil:

Das Amtsgericht Bad Segeberg (AZ: Urteil vom 13. April 2015, 17 C 230/14) verurteilt den Handwerker zur Rückzahlung.

Das Gericht ist der Meinung, dass der Auftraggeber wirksam den Vertrag widerrufen hat. Es hält also das seit dem 13.06.2014 geltende Widerrufsrecht für Verbraucher für einschlägig. Anders wäre es, wenn ein Kaufvertrag oder ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung geschlossen wäre. Dann würde das Widerrufsrecht nicht gelten. Denn das sind grundsätzlich Verträge über die Lieferung von Sachen. Hier wurde aber ein Werkvertrag geschlossen, weil es dem Auftraggeber nicht um die Herstellung und Lieferung der Bauteile ging, die zur Bearbeitung der Treppe erforderlich waren, sondern hauptsächlich um die Ausführung der Arbeiten, nämlich die Renovierung der Treppe. Weil Werkverträge also keine Verträge über die „Lieferung von Waren“ sind, fallen sie auch nicht unter die Ausnahmeregelung des Gesetzes, so dass der Verbraucher sie widerrufen kann – wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Der Vertrag wurde in der Wohnung des Auftraggebers geschlossen, also außerhalb des Geschäftsraums des Unternehmers. Deshalb hat der Auftraggeber ein Widerrufsrecht.

Praxistipps:

1.
Für das Widerrufsrecht kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber den Handwerker ausdrücklich gebeten hat, ihn in seiner Wohnung aufzusuchen. Entscheidend ist nur, ob der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Auftragnehmers oder mit den Mitteln des Fernabsatzes geschlossen wurde.

2.
Zu den Mitteln des Fernabsatzes gehören alle Kommunikationsmittel, die dazu führen, dass ein Vertrag zu Stande kommt, ohne dass beide Vertragspartner gleichzeitig an einem Ort anwesend sind. Dazu zählen also z.B. ein Brief, Telefonat, Fax, SMS, E-Mail etc.

3.
Mir liegt ein anderer Fall vor, in dem der Auftragnehmer die Arbeiten teilweise schon ausgeführt hat. Wochen nach Vertragsschluss, also lange nach Ablauf der Frist von 14 Tagen, widerruft der Kunde den Vertrag und verlangt teilweise Rückzahlung der schon gezahlten Abschläge.

Der Widerruf ist wirksam, auch wenn er später als 14 Tage nach Vertragsschluss erfolgt ist. Diese Frist gilt nämlich nicht, weil der Unternehmer vergessen hatte, den Auftraggeber bei Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht zu belehren. Ohne eine solche Belehrung beträgt die Widerrufsfrist 12 Monate und 14 Tage ab Vertragsschluss!

Die Fälle, in denen die Auftraggeber einer Werkleistung den Vertrag widerrufen, dürften sich noch weiter häufen. Denn ein Widerruf kann ohne Begründung erklärt werden. Anders als eine freie Kündigung muss dann auch nicht einmal der entgangene Gewinn des Unternehmers bezahlt werden. Im Gegenteil: Der Auftraggeber dürfte häufig die Rückzahlung eventuell schon geflossener Abschlagszahlungen fordern.

Der Auftragnehmer sollte also unbedingt darauf achten, dass er seine Verträge entweder nur bei Anwesenheit des Kunden in seinem Geschäftsraum schließt (dann kein Widerrufsrecht) oder eine Belehrung über das Widerrufsrecht und seinen Vergütungsanspruch bei Ausführung der Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist gibt.

 

Wie es richtig geht, erfahren Sie auch im Artikel „Bauverträge nach der Reform des Verbraucherrechts 2014“.
Arbeitshilfen finden Sie dort auch unter dem Menüpunkt > Wissenswert > Muster Checklisten >> Widerrufsrecht.